Giraffen-Drachen wollen Krieg

Veröffentlicht am 31. Oktober 2025 um 11:36

Im Archiv für alternatives Schrifttum hat sich ein Sticker erhalten, der im Jahr 1980 erstmals verklebt wurde und damit zu den ältesten bekannten Aufklebern mit einem direkten Bezug zur Stadt Duisburg gehört. Er wurde für den Antikriegstag 1980 hergestellt.

Der Tag geht auf den „Weltfriedenstag der Jugend“ zurück und wurde erstmals am 1. September 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR, begangen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) steckte hinter dem westdeutschen Äquivalent, das man allerdings erst ab 1957 regelmäßig feierte. Auch der Duisburger Sticker ist eng mit dem DGB verbunden, wie die unten angebrachte, rote Schrift deutlich macht. Der Nachwuchs des Gewerkschaftszusammenschlusses, die DGB-Jugend-Duisburg, ist dort als Gruppe hinter dem kleinen Kleber genannt.

Im Zentrum des Stickers findet sich ein Wesen, das der nebenstehende Text als ausgestorben klassifiziert. Er liefert auch eine Begründung für das Verschwinden mit. Es sei evolutionär im Nachteil, weil es „zuviel Panzer“ und „zuwenig Hirn“ besäße. Natürlich ist damit eine Metapher auf den Krieg beschrieben. Das dargestellte Wesen verdient allerdings Beachtung. So weist der schuppige, lange Schwanz gewisse Ähnlichkeiten mit einem Drachen auf, der in der Kunstgeschichte immer wieder als Allegorie auf Tod und Leid dient. Auch die krallenbewehrten Klauen des Untiers könnten dem Bild eines Drachens oder eines Dinosauriers entsprungen sein. Der lange Hals des ausgestorbenen Wesens erinnert dabei aber vielmehr an eine Giraffe und auch der Kopf weist einige Ähnlichkeiten mit den in Afrika beheimateten Paarhufern auf.

Dabei hatte die Duisburger DGB-Jugend das seltsame Tier nicht erfunden. Bereits auf einem Plakat der Deutschen Friedensgesellschaft aus der Zeit um 1960 ist es abgebildet. Noch 2025 wirbt die Gesellschaft mit einem etwas modifizierten Exemplar des Giraffen-Drachens, das an das Kino-Monster Godzilla erinnert. 

Recherchen ergaben allerdings, dass das Motiv bereits um 1958 erstmals auf Plakaten landete: Damals beschlagnahmte die Münchner Staatsanwaltschaft 3.000 der ausgestorbenen Dino-Monster in der Zentrale der Bayerischen Landes-Union der internationalen Kriegsdienstgegner, die sich gegen Wiederbewaffnung und die Einführung eines Wehrdienstes in der jungen Bundesrepublik aussprachen. Der Duisburger Drachensticker ist ein weiteres Zeugnis dafür, dass die frühen Aufkleber mit Stadtbezug vor allem von progressiven und pazifistischen Gruppen benutzt wurden. Ferdinand Leuxner

 

Abb. Archiv für alternatives Schrifttum.

 

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