Der griechisch-italienische Maler Giorgio de Chirico schrieb im Jahr 1918 einen Text, in dem er den Kunstschaffenden seiner Zeit einen Auftrag gab: „Wir müssen das Auge in allen Dingen entdecken.“ (Dombrowski, S. 8) Er selbst hielt sich an seine Vorgaben und schuf immer wieder Gemälde, in denen das Augen-Motiv eine große Rolle spielte. In der Folge wurden aber auch die Künstler*innen des Surrealismus von de Chiricos Idee beeinflusst. Vor allem die junge Kunst der Fotografie inszenierte immer wieder Augen – als Chiffre für das Unheimliche oder das Schöne.
Duisburger Street-Artists scheinen sich in der Mülheimer Straße Ecke Prinzenstraße die Aussagen de Chiricos zu Herzen genommen zu haben: Mit ausgeschnittenen Fotos schufen sie kleine Sticker und brachten sie an den Ampeln und Straßenlaternen der Umgebung an. Darauf zu sehen sind die Augenpartien zweier Menschen, die den Betrachter direkt ins Gesicht zu schauen scheinen. Obwohl es sich um Schwarz-Weiß-Bilder handelt, werden die Augen durch einige Farbakzente hervorgehoben. Ihre Blicke zu deuten fällt dennoch schwer. Erst der unterhalb der beiden Schauenden angebrachte, herzförmige Aus-Schnitt macht deutlich, dass es sich hier um verliebte Blicke handelt.
Ein Auge und ein Papierausschnitt spielen auch auf einem weiteren Sticker in der Steinschen Gasse die zentrale Rolle. Das Werbegesicht einer stadtbekannten Imbissfiliale wurde mit einem sogenannten Seh-Pferdchen überklebt. Durch das Loch ist das darunterliegende Auge zu sehen. Diese Technik erinnert an Arbeiten der Künstlerin Birgit Jansen, die 2005 für den 1st International Sticker Award nominiert war. Verliebte Blicke überall! Ferdinand Leuxner


Literatur:
Damian Dombrowski, Jochen Griesbach: Blicke sagen mehr als tausend Worte. Eine kurze Geschichte des Sehens in der bildenden Kunst. In: Damian Dombrowski, Jochen Griesbach (Hg.): Augen und Blicke. Das Sehen in der bildenden Kunst von Alt-Ägypten bis zur Moderne. Würzburg 2015. S. 8-36.
Andreas Ullrich, Matthias Marx, Matthias Müller (Hg.): 1st International Sticker Award. Berlin 2006. S. 100.
Alle Abb.en Leuxner, 2025
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