
Die Laternenpfähle, Stromverteilerkästen und Abfalleimer Duisburgs sind voll mit Meinungsäußerungen. Nicht nur dieser Blog macht deutlich, dass die unterschiedlichsten Gruppen hier in Form von Aufklebern vertreten sind: Politische Botschaften neben Werbung für den örtlichen Tätowierer etc.. Der öffentliche Ort dient aber auch immer wieder Selbstdarsteller*innen als Forum. Deshalb soll heute ein Stickerformat im Mittelpunkt stehen, dass zu den ältesten seiner Art gehört: Das Tag.
Wenn man so will, gibt es Tags bereits seit der Antike. Im ägyptischen Deir el Medina haben sich Inschriften auf Koptisch erhalten, auf denen der Name des Schreibers zugleich die Botschaft ist: „Ich bin Markos, der Novize, der Sohn des Apa Petros, des Priesters des Heiligen Apa Markos.“ Tags im engeren Sinne entstanden in den 1960er Jahren mit der modernen Graffiti-Kultur in den USA. Ziel war es, in den von Werbung dominierten Stadträumen eine individuelle Botschaft zu hinterlassen. Während die Firmenlogos Tausende Menschen repräsentieren, stehen bei den Tags Einzelne im Vordergrund. Zu den frühen Taggern gehörte der New Yorker Takil 82, dessen Name die Straßennummer Brooklyns beinhaltete.
Der Antrieb hinter der Anbringung der persönlichen Zeichen im Stadtraum ist eng mit den klassischen Kategorien von Erfolg verbunden: Ruhm, Respekt und Status. Deshalb geht es den Tag-Stickernden um Quantität. Überall soll der Name sicht- und erkennbar sein. Daneben spielt aber auch Qualität eine besondere Rolle. Die Tags, bei denen es sich meist um kurze Synonyme handelt, werden mit Licht- und Schatteneffekten, dem sogenannten Fading, versehen. Die einzelnen Buchstaben werden verzerrt – gepullt – oder es werden Lichthighlights gesetzt. Oft überschneiden sich die Zeichen – das charakteristische Overlapping. Die Namen weisen Outlines auf, die Buchstaben bröckeln ab, sind mit Pfeilen und Kronen verziert oder es wurden Serifen-Schriftarten gewählt. Anders als bei Kunst-Stickern fehlt eine bildliche Darstellung, vielmehr konzentrieren sich die Sticker auf das Synonym der Tagger.
Die ersten Sticker-Tags nutzten besondere Untergründe, die auch heute noch verwendet werden: Geschrieben wurden die Namenskürzel zunächst auf US-Mail-Aufklebern. In Deutschland entwickelten sich Post- oder DHL-Aufkleber zu Äquivalenten. Daneben wurden immer wieder die seit den 1950er Jahren genutzten „Hello My Name Is“-Kleber genutzt, die ursprünglich auf Konferenzen auf der Kleidung angebracht wurden. In Duisburg gibt es Kieze auf denen besonders viele Tags auf kleinen Linienbus-Stickern hinterlassen wurden. Ferdinand Leuxner
Liste von im Duisburger Stadtraum genutzten Tag-Synonyme:
AAI., Agly, Alman, Alone, Andor, Animone, Boi, BOT, Brons, Cantastic, CEAT, Cococoo1., Co3, Come, DACH, DAD, Daser, Demo!, DEMONE, DOG2 MGS, DBF, DSC, Emazra, Epose, Erevr, ETZ CREW, Evil, Faux, Fecat.(be), FECT, FRDL, Friedl, ger, gerz, Gin, Göre, Gome, GVS TDC, Hant, Haschi, hefi, Hera, ICU, Joiny, Juks, Kelst, Klaus Schmitz, KÄKS, Knifte, Kokoo, Komfortzone, Krafetzka, Laylow, Leao, MAKS, Meta, MGB.MH, Moot, MROK, MROF, Mr.X, Nice, Oder, Ofer, Oel, Omer, Oskr, Pak., PATATAS CREW, Piraña, PODT, PORN1, Rek, Reker!, *RIZM*, RIO, ROBS!, SHADY FSK, SHYS, SMOKE, Soon, Takis Rotz, Urgh, ZAIF, Zak, Zone

Abb.en Leuxner, 2025.
Zum Weiterlesen:
Anna Wacławek: Graffiti und Street Art. Übers. von Marcus Mohr. Berlin, München 2012.
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