Der us-amerikanische Regisseur Matt McCormick veröffentlichte im Jahr 2002 einen Kurzfilm, der eine neue Perspektive auf die Welt der Graffitis eröffnete. Unter dem Titel „The Subconscious Art of Graffiti Removal” zeigte er Street-Art-Spots in der Stadt Portland, die von Reinigungspersonal überstrichen worden waren. Zurück blieben weiße Rechtecke, Negative einzelner Buchstaben und Wände, deren Vergangenheit als Leinwand weiterhin sichtbar blieb. 2002 feierte der Film auf dem Sundance-Festival Premiere und wurde mit Preisen überhäuft.
Die vergängliche Schönheit der Sticker in Duisburg soll in diesem herbstlichen Blogeintrag im Vordergrund stehen. Denn verschwindende und verschwundene Arbeiten kennt auch diese Stadt. Nicht immer macht sich Reinigungspersonal an den kleinen Klebern zu schaffen. Viel häufiger ist es eine Kombination aus Witterung und Zeit, die den Stickern den Garaus macht. Ein Beispiel vom Rande des Duisserner Verkehrsübungsplatzes macht deutlich, dass die Aufkleber auch selten ganz gehen: In das Verkehrsschild eingebrannt erkennt man die Umrisse eines Baseballspielers, darunter einige konventionelle Formate wie Rechtecke und Kreise.

Auf der Oberfläche der Sticker haben sich Moose und Flechten angesiedelt, die das Papier überwuchern und von seinen feuchtigkeitsspeichernden Eigenschaften profitieren. Es ist die Schönheit des Verfalls, die hier in Szene gesetzt ist. Bereits bei der Anbringung der Sticker schwingt das Vergehen schon mit: Wie lange wird der Kleber halten? Was wird mit ihm passieren? Wie bei einem Stillleben, auf dem tote Tiere, verwelkende Blumen oder gammelnde Früchte zu sehen sind, wird die Veränderung der Materie bei der Anbringung eingepreist.
Sticker schimmeln, trocknen und bleichen schließlich aus oder der Klebstoff wird brüchig. Manche der Kleber fallen wie Herbstlaub zu Boden, andere bleiben hängen und werden Tummelplatz für eine Vielzahl von Lebewesen. Noch andere, wie die Stickerhinterlassenschaften auf einem Stromkasten im Dellviertel, erscheinen als in das Material eingebrannte Muster, die an prähistorische Versteinerungen erinnern und an den Masten der Straßenlaternen künden helle Umrisse von den wichtigen Botschaften, die hier einst hingen. Ferdinand Leuxner

Abb. 1: Baseballspieler in Duissern, Leuxner 2025.
Abb. 2: Versteinerungen im Dellviertel, Leuxner 2025.
Zum Weiterschauen:
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Youtube: The Subconscious Art of Graffiti Removal, abgerufen am 8. Oktober 2025.
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