Delikat: Das Derivat

Veröffentlicht am 3. Oktober 2025 um 15:04

Wer vor einem Sticker steht, weiß, dass er oder sie einen vor sich hat. Dabei ist eine Definition für die kleinen Kleber gar nicht so einfach zu leisten. Es gibt eine kommerzielle: Alle Objekte mit Selbstklebefläche auf der Rückseite sind Sticker. Folgt man dieser Erzählung, wären die Sticker erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom US-Amerikaner Richard Stanton Avery erfunden worden. Es gibt aber auch eine verfahrenstechnische Definition, die sich eng an den etymologischen Wortstamm der kleinen Kleber anlehnt: Die Bezeichnungen Aufkleber (dt.), Sticker (engl.), Autocollant (frz.) oder Adhesivo (ital.) spielen alle auf den Vorgang an, mit dem man die Objekte an die Wand bringt. 

Sie alle verbindet das Kleben: Beim Kleben werden Fügeteile mittels chemischer Stoffe miteinander verbunden. Damit aber erweitert sich die Gruppe von Dingen im öffentlichen Raum, die man – vorausgesetzt, man will dieser Definition folgen – als Sticker bezeichnen kann. Im Folgenden sollen deshalb die Dinge, die wie Sticker geklebt werden, aber keine sind, in den Mittelpunkt rücken. Duisburg ist voll von solchen Objekten, die wir als Sticker-Derivate bezeichnen wollen.

Am bekanntesten sind wohl die Paste-Ups. Sie werden mithilfe von Leim an öffentlichen Plätzen angebracht. So arbeitet Piranha (Sticker der Woche: Raubfische im Stadtbild / Blog | Bildstockart) nicht selten mit dieser Technik, wenn er seine Objekte im Stadtraum anbringt. Der Vorteil: Es können viel größere Flächen beklebt werden, was die künstlerischen Ausdrucksformen deutlich erweitert. Duisburger Street-Artist kennen aber noch ganz andere, geklebte Dinge. In Duissern tauchte im Spätsommer 2025 ein kleiner Bügelperlen-Dino an einem Stromkasten auf. Mit der Wahl einer anderen Technik wird Aufmerksamkeit erzeugt – die Erzeugnisse stechen aus der Masse heraus.

Und Natürlich ist auch die geklebte Diskette ein Sticker-Derivat (Sticker der Woche: Medienrevolution / Blog | Bildstockart). Entlang der Magistralen durch das Ruhrgebiet finden sich außerdem immer wieder ausrangierte Schallplatten, die mit einem Motiv aus dem Star-Wars-Universum besprüht wurden. In Duisburg kleben diese Objekte im Tunnel der Autobahnunterführung an der Kardinal-Galen-Straße (2x) oder an einer wenig belebten Ecke am Hauptbahnhof (1x).

Daneben finden sich Pflaster, technische Aufkleber wie Abziehlaschen für das Smartphone, aber auch Briefmarken und Kaugummis – der Klebstoff ist Speichel – immer wieder im öffentlichen Raum. Damit jedoch nicht jeder ausgespuckte Kaugummi zum Sticker geadelt wird, versuche ich unter dem Reiter „Materialien“ eine erweiterte Sticker-Definition anzubieten. Denn für Sticker-Puristen ist das Sticker-Derivat vor allem eines: Höchst delikat. Ferdinand Leuxner

Alle Abb.en Leuxner 2025.

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